Wo die Zeit still wird

Vom Steckby Lödderitzer Forst zum Biosphärenreservat Mittelelbe

In unserer Blogreihe möchten wir euch von der WelterbeRegion Anhalt-Dessau-Wittenberg erzählen und  euch zu eurem nächsten Ausflug inspirieren. Welche Ziele lohnen sich, wo habt ihr richtig viel Spaß mit euren Kindern, von welchem Ausflugsziel habt ihr noch nie gehört oder wohin sollte die nächste Radtour gehen? Wir freuen uns, dass ihr auf unserem Blog angekommen seid und laden euch ein, die Region mit der WelterbeCard zu erkunden. Herzlich Willkommen!


Das Online-Magazin "Echtzeit" veröffentlicht Beiträge zum Reiseland Sachsen-Anhalt, die uns "hinter die Kulissen" schauen lassen. Heute teilen wir einen Eintrag zum Biosphärenreservat Mittelelbe und lernen, wie das Biospärenreservat zum UNESCO Schutzgebiet wurde und dass der Ursprung bereits auf das Jahr 1979 zurückgeht. 
Der folgende Text wurde geschrieben von Matthias Ulrich.

Ein Fluss wie ein Gemälde

Lutz Reichhoff genießt den Moment. Vor seinen Füßen formen kleine Strudel die Wasseroberfläche zu geometrischen Mustern, die in Windeseile wieder verschwunden sind. Sonnenstrahlen versuchen die Schönheit dieses Momentes zu krönen, was ihnen gelingt, weil die Elbe bereits ein neues Bild erschaffen hat. Dies alles aufsaugend und die Augen schließend könnte bei phantasievollen Geistern in Gedanken ein Gemälde von William Turner entstehen. Zwar hat dieser englische Meister grandioser Landschaftmalerei seinen Fuß nie in diese Gegend gesetzt, aber diesen satten Moment aus Fluss, blau – weißem Himmel und einer Auenlandschaft wie gemalt mit strahlendem Licht – dass wäre sein Meisterwerk geworden.

Der Steckby-Lödderitzer Forst

„Ein Schatz, der Schutz und schlaue Leute braucht!“, so blickt Lutz Reichhoff heute auf den Steckby – Lödderitzer Forst. Denn genau hier begann die Reise dieser Elbauenlandschaft zum UNESCO-Biosphärenreservat. Ab Elbe - Flusskilometer 275 stromabwärts entdecken wir eine Landschaft, die beim ersten schnellen Blick, wie die pure Natur ausschaut. Aber Lutz Reichhoff rät zu Genauigkeit: „Was wie zufällig gewachsen daherkommt, ist oft ganz bewusstes menschliches Tun. Beispielsweise sind die bis heute das Erscheinungsbild prägenden Eichen kein Zufall der Natur, sondern wissenschaftlich  geplante Pflanzungen, die kontinuierlicher Pflege bedürfen.“

Ein Gartenreich in Sichtweite

Seit Jahrhunderten entstand auf diese Weise eine Elbauenlandschaft, die wahrscheinlich auch den Erfinder und Gestalter des Gartenreich Dessau-Wörlitz inspirierte. Schließlich setzte Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt – Dessau ganz auf das Zusammenspiel von Schönheit der Natur und Nutzen für seine Untertanen. Die Natur gestalten hieß für ihn, sie zu schützen und das richtige Maß für ihre Nutzung durch den Menschen zu finden. Daraus entstand mit den Jahren auf der rund 140 qkm großen Fläche des Gartenreiches eine Gleichzeitigkeit von Landschaftskunst erster Güte und Flächennutzung für Landwirtschaft, Viehzucht und Gartenbau. Schön und nützlich, bis heute.

Schmutzige Fracht

Das war nicht immer so, kommt es Lutz Reichhoff über die Lippen, als er zusammen mit Andrea Winger von der Verwaltung des heutigen Biosphärenreservats Mittelelbe hinüber auf das andere südliche Elbeufer blickt. Da, wo sich heute Libellen und Schmetterlinge die Lufthoheit über dem Strom teilen und gegenüber friedlich Rinder weiden, war das Elbewasser in den 1970-er und 1980-er Jahren ein belasteter Strom. Besonders ins Gewicht fielen die giftigen Schadstoffe, die aus der Bitterfelder Region via Mulde die Elbe erreichten. Umso erstaunlicher aus heutiger Sicht das Bemühen staatlicher Stellen in der DDR, Natur und Landschaft entlang der Elbe teilweise unter Schutz zu stellen.

Naturschutz in der DDR

An dieser Stelle muss Lutz Reichhoff einhaken: „Das nenne ich einen typischen DDR-Konflikt, voller Kontraste und Widersprüche. Nach ihren Gesetzen war auch die DDR zum Naturschutz verpflichtet. 1 % der Fläche sollte in ein nationales Naturschutzprogramm aufgenommen werden. Zudem arbeiteten in kommunalen und staatlichen Behörden, wie z. B. in der Station Steckby,  aber auch im Kulturbund der DDR engagierte Frauen und Männer an Naturschutzprojekten.“ Und nicht weniger wichtig war für die DDR 1973 die Aufnahme des Staates in die UNO, gemeinsam mit der Bundesrepublik. Dies stieß einen Prozess an, mit dem die DDR – Regierung auf vielfältigen Kanälen ihr Renommee sichtbar verbessern wollte.

So entstand in einem typischen DDR-Gemisch aus Kompetenz und Zufall die Idee, ausgesuchte Naturschutzgebiete der UNESCO vorzuschlagen. Bei positiver Bewertung ständen sie dann unter ihrem Schutz und würden in das Biosphärenprogramm Aufnahme finden. Und genau so kam es.

 

Image
Biosphärenreservat Mittelelbe

Lutz Reichhoff weiß, dass heute mächtige Bäume in den Elbauen durch menschliches Tun entstanden sind.

Aufgrund des Antrages im Jahr 1979 erhielt die DDR-Regierung im Januar 1980 die Urkunde für das UNESCO-Biosphärenreservat Steckby – Lödderitzer Forst. Damit war es das überhaupt erste deutsche Naturschutzgebiet, was in der UNESCO-Liste auftauchte. Weit vor der Bundesrepublik. Der Plan hatte funktioniert. Was aber hieß das nun konkret für die 3.500 ha große Fläche entlang der Elbe zwischen Dessau und Barby? Auch Lutz Reichhoff musste damals mit den Schultern zucken. Er machte sich aber schlau, initiierte mit anderen wissenschaftliche Arbeiten zur Auenforschung, zur genetischen Vielfalt und zu Maßnahmen, mit denen die Biosphäre gestärkt und erweitert werden kann.

 

Wenn Augen leuchten

Ein finaler Höhepunkt für den Landschaftsplaner und Naturschützer Reichhoff, der sein Büro LPR seit 1990 erfolgreich leitet, war die Aufnahme der DDR-Nationalparke in den Einigungsvertrag. Dieser Coup gelang kompetenten und cleveren Fachleuten im Ministerium für Naturschutz der letzten DDR-Regierung gegen heftigen Widerstand aus Bonn und Berlin. Es gab aber einen mächtigen Befürworter: Bundesumweltminister Klaus Töpfer hatte die Zeichen der Zeit erkannt und sah das DDR-Nationalparkprogramm auch als Katalysator für die ganze Bundesrepublik.  Der so entstandene Nachtrag zum Einigungsvertrag, entstanden in unvorstellbar kurzen vier Wochen,  bringt noch heute die Augen von Lutz Reichhoff zum Leuchten.

Das heute existierende Biosphärenreservat Mittelelbe wäre ohne den Start 1979 im Steckby – Lödderitzer Forst nicht entstanden.“ unterstreicht er. Zusammen mit Andrea Winger blickt er auf einen unscheinbaren, doch heute historischen Holzpfahl mitten in der Elbaue. Daran drei Schilder – Naturschutzgebiet Steckby-Lödderitzer Forst im typischen DDR-Design, darunter die Info des Landes Sachsen-Anhalt zum Biosphärenreservat Mittelelbe und zum Finale der Hinweis auf den alles verbindenden Elberadweg. Die ganze Story – erzählt mit drei Schildern.

Hier seht ihr einen Videobeitrag zum Interview mit Lutz Reichhoff und Hendrik Pannach

Wenn ihr also mal wieder raus in die Natur wollt - packt den Wanderrucksack und auf ins Biosphärenreservat Mittelelbe. Viele weitere Informationen zur Entstehung und dem Biospärenreservat Mittelelbe im Allgemeinen erfahrt ihr übrigens im Auenhaus in Oranienbaum. Hier lernt ihr zum Beispiel wie der Biber lebt und könnt mit Actionbound eine digitale Schnitzeljagd durch das Informationszentrum und den Auenpfad Kapenniederung machen. 

Teilt eure Impressionen von einer Wanderung durch das Biosphärenreservat gern mit dem Hashtag #welterberegion auf Instagram mit uns!

Wir bedanken uns bei der Investitions- und Marketinggesellschaft und Matthias Ulrich für den tollen Blogbeitrag! Lest mehr unter: www.echtzeit-sachsen-anhalt.de

Diesen Inhalt teilen