„Es gefällt mir alles gut, aber der Clou ist das Atelier“
In unserer Blogreihe möchten wir euch von der WelterbeRegion Anhalt-Dessau-Wittenberg erzählen und euch zu eurem nächsten Ausflug inspirieren. Welche Ziele lohnen sich, wo habt ihr richtig viel Spaß mit euren Kindern, von welchem Ausflugsziel habt ihr noch nie gehört oder wohin sollte die nächste Radtour gehen? Wir freuen uns, dass ihr auf unserem Blog angekommen seid und laden euch ein, die Region mit der WelterbeCard zu erkunden. Herzlich Willkommen!
Das Online-Magazin "Echtzeit" veröffentlicht Beiträge zum Reiseland Sachsen-Anhalt, die uns "hinter die Kulissen" schauen lassen. Heute geht es zu einigen Highlights unserer WelterbeRegion: Den Bauhausstätten in Dessau! Wir lesen, warum das Bauhaus seiner Zeit voraus war und erfahren Details "aus dem Munde" der Bauhäusler. Dieser Blogbeitrag wurde von Beate Hagen verfasst und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
„Ich sitze auf unserer Terrasse, die einfach wonnig ist. Die Bäume sind eine Wohltat, selbst in der grellsten Sonne schaut das Auge ungeblendet ins Grüne und die Kronen stehen so schön in den Himmel. Es fliegen gewaltige Junkers-Flugzeuge über unserm Wäldchen herum, es ist eine Pracht anzusehen“, schrieb der deutsch-amerikanische Maler, Grafiker und Bauhausmeister Lyonel Feininger im Spätsommer 1926 begeistert in einem Brief an seine Frau Julia. Nach dem Umzug der Kunstgewerbeschule von Weimar nach Dessau war Feininger in eines der vier Meisterhäuser gezogen.
Der Architekt, Bauhausgründer und -direktor Walter Gropius hatte die Meisterhäuser, drei Doppelhäuser für die Bauhausmeister und ein Einzelhaus für den Bauhausdirektor, entworfen. Es entstand ein Ensemble, das zum Inbegriff des modernen Wohnens wurde, was Gropius nicht nur durch die äußere Gestaltung der Häuser vermitteln wollte, sondern auch durch die Inneneinrichtung. Sie wies eine Fülle bemerkenswerter Details auf, vom begehbaren Kleiderschrank, den Einbauschränken bis zum zusammenschiebbaren Doppelsofa. Für großes Erstaunen sorgten damals die Warmwassergeräte und Radiatoren, mit denen die Dessauer Junkers-Werke die Meisterhäuser ausgestattet hatten. „Die Schlafzimmerschränke blendend! Eine große Wäscheabteilung und zwei Kleiderabteilungen. Es gefällt mir alles gut, aber der Clou ist das Atelier! Schön sind die Schränke im Gang zwischen Küche und Esszimmer“, schrieb der Maler, Grafiker und Bauhausmeister Paul Klee begeistert.
In einer Abhandlung über das Bauen schrieb Gropius 1930: „Der Organismus eines Hauses ergibt sich aus dem Ablauf der Vorgänge, die sich in ihm abspielen.“ Um diese Idee populär zu machen, hatte Gropius sein eigenes Haus nicht nur als Wohnhaus für sich und seine Frau konzipiert, sondern auch als Ausstellungsobjekt. Über Führungen, diverse Publikationen und eine Filmserie mit dem Titel „Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?“ erreichten die beiden, dass auch Jahre nach der Fertigstellung der Meisterhäuser das Interesse der Öffentlichkeit nicht nachließ. Beindruckt war man vor allem über die Hauswirtschaftstechnik. So gab es in der Einbauküche im Haus Gropius einen Wassersprüher für das Geschirr, dem automatisch Seife beigemischt wurde, eine Waschmaschine sowie einen Trockner mit Schleudermechanik.
Zu den gestalterischen Höhepunkten des Dessauer Bauhauses gehört auch das Bauhausgebäude, das Gropius parallel zu den Meisterhäusern umsetzen konnte. „Dieses Haus muss man gesehen haben“, schrieb das „Berliner Tageblatt“ am 7. Dezember 1926 begeistert über das Gebäude, das drei Tage zuvor mit einem großen Fest eingeweiht worden war. Besonders erstaunt war man damals über die neuartige Trennung des Gebäudes in drei flügelförmig angeordnete, funktional gegliederte Trakte: Im ersten Trakt, dem Nordflügel, waren die „Technischen Lehranstalten“ untergebracht.
Im Atelierhaus, dem so genannten Prellerhaus, lagen auf fünf Etagen die Atelierzimmer für die Studenten. Dieser Trakt ist auf einer Seite mit kleinen Einzelbalkonen, auf der anderen mit langen, die Gebäudeecken umgreifenden Balkonen ausgestattet. Der dritte Gebäudekomplex beherbergte die Werkstätten. Ein eingeschossiger Zwischenbau, die Festebene mit Aula und Mensa, verbindet den Werkstattflügel mit dem Atelierhaus und die zweigeschossige Brücke die Werkstätten mit der Schule. Die Brücke war für Verwaltungsräume und das Büro von Gropius vorgesehen.
In seiner Modernität besonders bemerkenswert erscheint heute das Ateliergebäude. Die Ateliers bestanden aus 20 Quadratmeter großen Einzelzimmern, die mit Elektroanschlüssen, Heizkörpern, Einbauschränken, Waschgelegenheiten, Arbeitsplatten mit zwei Tischböcken, Schlafnischen und vornehmlich von dem Bauhaus-Architekten und -Designer Marcel Breuer entworfenem Stahlrohrmobiliar komfortabel eingerichtet waren. Entsprechend begehrt waren die Ateliers unter den Studenten. Im Haus selbst gab es Gemeinschaftseinrichtungen, wie Bäder und Duschen, Terrassen und sogar eine Turnhalle im Keller. Auf jeder der fünf Etagen war jeweils eine Teeküche eingerichtet, die mit kleinen Herdplatten, Spülbecken und schmalen Wandregalen ausgestattet war. Die Teeküchen waren über einen Speiseaufzug mit der Kantinenküche verbunden.
Auch die Mensa im „Prellerhaus“, deren Mobiliar ebenfalls von Breuer entworfen worden war, war hochmodern. Vor allem die technische Ausstattung der Kantinenküche war auf dem damals neuesten Stand. Es gehörten dazu eine Mischbatterie, ein Ausgussbecken, ein Abwaschtisch, Ablaufbretter, eingebaute Schränke und ein Tisch mit drei Kästen. In der Mitte der Küche standen der moderne Gasherd und der Backofen. Es war die Vision einer Verbindung von experimentellen Lehrformen und idealer Lebensgemeinschaft, eines gemeinschaftlichen Wohnens und Arbeitens, die mit dem „Prellerhaus“ beispielhaft verwirklicht werden sollte. Eine weitere Prämisse der Hochschule und ihrer Direktoren war die Transparenz, die durch die offene Glasfassade entstehen und damit den Eindruck von Freiheit und Übersichtlichkeit vermitteln sollte.
Die Errichtung des „Baus der Zukunft“ als Gesamtkunstwerk war die zentrale Idee, die Gropius bei der Gründung des Bauhauses 1919 verfolgte. „Architekten, Bildhauer, Maler, wir alle müssen zum Handwerk zurück. Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft“, forderte der Architekt in seinem berühmten „Manifest“. Gropius hatte sich frühzeitig für eine umfassende Neuorientierung der Architektur engagiert, was ihm den Ruf des Wegbereiters der „Modernen Architektur“ einbrachte. Das in den Jahren 1925 bis 1926 in Dessau errichtete Bauhausgebäude und die Meisterhäuser sind erste konkrete Demonstrationsobjekte seiner Bauhaus-Ideen.
Bis heute gelten die Gebäude als Schlüsselwerke der europäischen Moderne. Und Dessau ist die Stadt, mit der das Bauhaus am engsten verbunden ist. Hier hat die Kunst- und Gestaltungsschule am längsten gewirkt und zwischen 1925 und 1932 ihre Blütezeit erlebt. Die Zeit war zugleich die Hochphase der Bauhaus-Architektur, weshalb in Dessau auch die meisten Bauhaus-Bauten zu finden sind. Das Bauhausgebäude, die Meisterhäuser und die Laubenganghäuser gehören heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Doch diese Gebäude sind nicht die einzigen Original-Bauhausbauten in Dessau. Neben den oben genannten sind es zudem das Konsumgebäude, die Siedlung Dessau-Törten, das Kornhaus, das Stahlhaus sowie das historische Arbeitsamt.
Einen Überblick über und besondere Einblicke in die Bauhausbauten bekommt man bei den Führungen, die die Stiftung Bauhaus Dessau anbietet. Gäste, die gern auf eine individuelle Erkundungstour durch die Bauhausstadt gehen möchten, können sich die kostenfreie App „Bauhaus Dessau“ herunterladen. Und wie das Bauhaus als Hochschule gearbeitet und gewirkt hat, wie die Ideen entstanden sind, die bis heute unsere Alltagskultur prägen – das ist die Erzählung der Sammlungspräsentation „Versuchsstätte Bauhaus. Die Sammlung“ im neuen Bauhaus Museum Dessau, dessen Eröffnung 2019 der Höhepunkt des Bauhaus-Jubiläums war.
Wer selbst einmal ausprobieren möchte, wie die „Bauhäusler“ im Atelierhaus des Dessauer Bauhausgebäudes gelebt haben, kann dort für eine oder mehrere Übernachtungen ein Zimmer buchen - ein Bauhauserlebnis der ganz besonderen Art. In den restaurierten Atelierzimmern spürt man die Atmosphäre des Bauhauses bis heute.
Architektur-, Kunst- und Geschichtsinteressierte kommen hier auf jeden Fall auf ihre Kosten! Nutzt die WelterbeCard um in allen Bauhausstätten kostenfreien Eintritt zu erhalten. Mehr Infos zum Angebot und den Online-Shop findet ihr unter www.welterbecard.de . Neben dem Bauhaus findet ihr noch viele weitere sehenswerte Orte in Dessau und Umgebung, auch hier nutzt ihr am besten eure WelterbeCard.
Teilt eure Impressionen von eurem Besuch in Dessau gern mit dem Hashtag #welterberegion auf Instagram mit uns!
Wir bedanken uns bei der Investitions- und Marketinggesellschaft und Beate Hagen für den tollen Blogbeitrag! Lest mehr unter: www.echtzeit-sachsen-anhalt.de
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