"Wegzeichen - Zeitzeichen" Deutsche und Russen im Alltag in einer mitteldeutschen Region von 1945 bis 1993

-
Ausstellungen & Museen
Adresse

Schlossstraße 6
6
06886 Lutherstadt Wittenberg
Deutschland

Route planen

Die Geschichte der sowjetischen Streitkräfte in der DDR wird zumeist als eine Geschichte des Militärs und seines Kriegsgeräts dargestellt. In der Ausstellung Wegzeichen - Zeitzeichen hingegen werden die Alltagsbeziehungen zwischen den sowjetischen Streitkräften und der Bevölkerung beleuchtet. Die Anwesenheit der sowjetischen Streitkräfte hat sowohl unsichtbare Spuren im Bewusstsein der Menschen als auch sichtbare Spuren an den Orten ihrer Stationierung hinterlassen. Mehr als fünf Jahrzehnte waren sie im Osten Deutschlands präsent, die Soldaten mit dem roten Stern. Als Befreier nur von ganz, ganz wenigen erwartet, als Sieger und Besatzer von vielen abgelehnt, lebten sie scheinbar in einem abgeschotteten System. Auch in den späteren DDR-Jahren hatten die Bürger dieses Staates relativ wenig mit ihnen zu tun. Sie gehörten zum Straßenbild, manchmal trafen sich Deutsche und "Russen" oder auch "die Freunde", wie sie von Einheimischen genannt wurden, bei den in Schule und Betrieben obligatorischen "Freundschaftstreffen" oder im "Russenmagazin". Die Handwerker und andere deutschen Zivilisten, die für sowjetische Garnisonen arbeiteten, sprachen meist nur im engeren Bekanntenkreis darüber. Selbst bei den Arbeitseinsätzen in DDR-Betrieben kam es kaum zu wirklichen Gesprächen mit den beteiligten Sowjetsoldaten. Diese scheiterten schon an der Sprachbarriere, denn sowohl der mehrjährige, offensichtliche am Leben vorbei erteilte Russischunterricht als auch die zumeist fehlende Sprachpraxis beförderten nicht gerade das Beherrschen der russischen Sprache durch Ostdeutsche. Wozu auch, man kam auch ohne diese Kenntnisse aus, die sich erst in "Perestroika"-Zeiten als Mangel erwiesen. Existenziell konnten russische Sprachkenntnisse 1945 sein, denn eine Verständigung half manchmal sogar, Leben zu retten. Die Briefe der Rotarmisten aus dem besetzten Deutschland an ihre Familien und Freunde bezeugen das Bemühen darum: "Die Deutschen haben schon gelernt, viele Worte russisch auszusprechen". Gleichwohl sind die Vorbehalte, die auch von persönlichen Erlebnissen und Gewalterfahrungen geprägt waren, von beiden Seiten groß. Dass sie in den folgenden Jahrzehnten nur langsam oder manchmal gar nicht abgebaut wurden, war dem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis der sowjetischen militärischen Führung geschuldet. Pflegten Militärangehörige zu engen Kontakt mit Einheimischen drohte die Strafversetzung in die UdSSR "innerhalb von 24 Stunden." So kann es nicht überraschen, dass in der DDR-Bevölkerung ein sehr unvollkommenes, durch Unwissenheit, Legenden und Halbwahrheiten gefärbtes "Russenbild" bestand. Dennoch veränderten sich die Beziehungen zwischen Einheimischen und Militärangehörigen vom Einmarsch der Roten Armee 1945 bis zum Abzug der russischen Truppen 1992/93. Die Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen lassen den Alltag vor und hinter den Toren sowjetischer Kasernen lebendig werden. Sie zeigen auch, dass trotz gegenteiliger Befehle der militärischen Führung - zahlreiche persönliche Kontakte und wirkliche Freundschaften entstanden, die zum Teil noch heute bestehen.