Das Gotische Haus

Refugium des Fürsten Franz

Sobald die ersten Sonnenstrahlen im Jahr auftauchen, ist der Wörlitzer Park gut besucht – und das zurecht, denn wie auch schon Goethe sagte: „Hier ist's unendlich schön.“ So schön, dass ich mich damals entschloss, neben der Schule, hier als Gästeführerin zu arbeiten. In diesem – und kommenden Blogbeiträgen – möchte ich euch kleine Einblicke hinter die Kulissen der wunderschönen Bauten des Wörlitzer Parks geben. Heute angefangen mit meinem persönlichen Favoriten, dem Gotischen Haus. 

Mitten im Wörlitzer Park gelegen, ist es doch ein echter Geheimtipp. Die meisten Besucher kommen auf ihrem Weg durch die Gartenanlagen nur zufällig hier vorbei und sind anschließend ganz überrascht und begeistert von dem privaten Wohnsitz des aufklärerischen Fürsten Franz.

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Pfau vor dem Gotischen Haus

Nicht nur der deutsche Klassizismus, der sich im Schloss wiederfindet, sondern auch die Neugotik hat in Wörlitz ihren Ausgangspunkt. So hat das Haus zwei verschieden gestaltete Fassaden, die den gotischen Baustil Italiens und die englische Backsteingotik aufgreifen. Die italienische Seite erinnert an die Madonna dell'Orto Venedigs und kann auch während der Gondelfahrten bestaunt werden. Geht man durch den Innenhof, vorbei an einem alten Brunnen, erwarten einen aber auch schon die roten Backsteine der englischen Seite. Vor dem Haus steht eine große Magnolie, die in den warmen Monaten wunderschön blüht und weiße Gartenstühle vor den roten Backsteinen laden die Besucher zum Verweilen ein. Wenn man Glück hat, begegnet man hier gleich mehreren Pfauen, die ihre prachtvollen Räder schlagen.

Im Gegensatz zu anderen Parks und Gärten konnte der Wörlitzer Park auch im 18. Jahrhundert schon besichtigt werden und stand allen Bürgern stets offen. So konnten auch sie in ferne Länder „verreisen“ und sich ein Bild von fremder Baukunst machen.

Der ursprüngliche Teil des Hauses, die unterste Etage, diente dem damaligen Gärtner Schoch als Wohnort, doch dann verliebte sich der Fürst Franz in dessen Tochter Luise und begann das Haus weiter auszubauen. So diente es ihm nach über 40 Jahren Bauzeit als Refugium und ganz privates Museum mit zahlreichen Kunstschätzen aus aller Welt. Von dem täuschend echten Wachsobst und versteckten Möbeln, über die Gemälde der Cranachs bis hin zu den eindrucksvollen Schweizer Glasgemälden, die sich durch alle Fenster im Obergeschoss ziehen – hier gibt es immer etwas Neues zu entdecken, selbst wenn man, so wie ich damals, jeden Tag hier verbringt.

Falls ihr euch entscheidet in das Museum zu gehen – was ich jedem nur empfehlen kann – haltet unbedingt Ausschau nach dem Fenster, in dem sich schon der Schweizer Philosoph und Schriftsteller Johann Caspar Lavater verewigte. Als er den Fürsten am 15. Juli 1786 hier besuchte, schrieb er (vermutlich mit seinem Diamantenring) direkt in die Glasscheibe: „Ihr Denkmal alter Kunst und Gottvertrauter Zeiten, Bewunderung, Wehmut, Mut und Hoffnung sehen euch an. Zwar Kunst und Zeiten hin, doch zeigt Ihr uns in Weitem, was ernster Tugend kann.“ 

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italienische Seite des Gotischen Hauses

Ach übrigens: als Besitzer der WelterbeCard könnt ihr kostenlos an einer Führung durch das Gotische Haus teilnehmen und werdet auf noch viele weitere, versteckte Kleinigkeiten aufmerksam gemacht, die man beim schnellen Selbstdurchgehen vermutlich niemals finden würde.

Ich hoffe, ich konnte euch für das Gotische Haus begeistern. Teilt euren Ausflug gern mit uns auf Facebook oder Instagram! #WelterbeRegion

 

Weitere Informationen zum Gartenreich und den UNESCO-Welterbestätten in unserer Region findet ihr hier.

 

Text: Sarah Marquardt

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