Musikland Anhalt
Bedeutende Musiker schickten ihre großen Töne nicht von irgendwo, sondern von Anhalt aus in die Welt: so zum Beispiel Johann Sebastian Bach, Johann Friedrich Fasch oder Kurt Weill. Und noch heute laden vielfältige Musikveranstaltungen in die ehemalige Askaniergrafschaft Anhalt ein.
Johann Sebastian Bach
Anhalts Größe der Barockmusik
Johann Sebastian Bach gilt als einer der bekanntesten deutschen Musiker und Komponisten überhaupt. Er zog im Jahr 1717 mit seiner sechsköpfigen Familie samt
weiterem Anhang nach Köthen. Der Aufbau der berühmten Köthener Hofkapelle verdankt sich einer kulturbarbarischen Tat Friedrich Wilhelms I. von Preußen, der 1713 die Berliner Hofkapelle seines Vaters einfach auflöste. Insgesamt 16 Musiker, darunter sechs Berliner, fanden in Köthen unter der Führung Bachs eine dankbare
Tätigkeit. Nach den sechs erfüllenden und kreativen Jahren in Köthen, ging Bach als Thomaskantor nach Leipzig, wo er im Jahr 1750 starb. Auch als Leipziger Thomaskantor blieb Bach seinem Köthener Fürsten eng verbunden und gastierte am Anhaltischen Hof. Seinen Titel als Köthener Kapellmeister behielt er lebenslang bei.
Schloss Köthen & besondere Veranstaltungen
Die Bach-Gedenkstätte in den fürstlichen Wohnräumen des Schlosses Köthen dokumentiert Johann Sebastian Bachs Köthener Lebens- und Schaffensjahre, komplettiert durch eine Sammlung barocker Musikinstrumente sowie durch Gemälde und Gegenstände zur Veranschaulichung des höfischen Alltags um 1720. Bis heute pilgern Bachfreunde aus der ganzen Welt zu den renommierten Köthener Bachfesttagen und zum „Köthener Herbst“. Der Köthener Bachchor hält das Andenken des Genius loci das ganze Jahr hindurch wach.
Johann Friedrich Fasch
Komponist & Hofkapellmeister
Von1722 bis zu seinem Tod wirkte am Anhalt- Zerbster Hof Johann Friedrich Fasch, dessen Bedeutung als zentrale Gestalt des musikalischen Barock mehr und mehr erkannt wird nicht zuletzt durch die Internationalen Fasch-Festtage. Am Zerbster Fürstenhof komponierte Fasch, der wegen seiner pietistischen Haltung immer wieder mit der lutherischen Geistlichkeit in Konflikt kam, viel Kirchenmusik: fünf Kantatenjahrgänge, Passionen, daneben sogar auch katholische Kirchenmusik für den Dresdner Hof. Doch ebenso entstanden zahlreiche weltliche Werke: Konzerte, Orchestersuiten, Kammermusik. Faschs Spezialität ist der Einsatz von Blasinstrumenten, die durch ihn eine deutliche Emanzipation erfuhren. 1745 komponiert er eine Serenata anlässlich der Eheschließung der Anhalt-Zerbster Prinzessin Sophie Auguste Friederike , der späteren Zarin Katharina die Große, mit dem Großfürsten Peter von Russland.
Carl Friedrich Fasch
In den Fußstapfen des Vaters
Trotz finanzieller Sorgen ließ Johann Friedrich Fasch seinem Sohn Carl Friedrich eine gute musikalische Ausbildung angedeihen. Nach dessen Flucht nach Berlin war er Cembalist am Hofe Friedrichs des Großen und musste abwechselnd mit dem Bach-Sohn Carl Philipp Emanuel den König bei seinen Flötenkonzerten begleiten. 1791 gründete er die Berliner Singakademie, einen der bedeutendsten Chöre seiner Zeit. Vielleicht entschädigte ihn dieser Erfolg auch für die nicht immer erfreuliche Zeit am preußischen Hofe. Er starb im Jahr 1800.
Barocke Stadthalle
Eingebettet in den Zerbster Schlossgarten steht die barocke Stadthalle, einst Reithalle der Fürsten von Anhalt-Zerbst. Die Stadthalle ist das Veranstaltungszentrum der Stadt Zerbst/Anhalt – insbesondere auch die Spielstätte der im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfindenden Internationalen Fasch-Festtage – und wird wegen der barocken Architektur nicht ohne Grund als das schönste Veranstaltungshaus im Landkreis Anhalt-Bitterfeld und der angrenzenden Region beschrieben.
Internationale Fasch-Festtage
Seit dem Jahr 1983 führt die Internationale Fasch-Gesellschaft die Fasch-Festtage in Zusammenarbeit mit der Stadt Zerbst/Anhalt durch. Im Rhythmus von zwei Jahren gastieren dabei international anerkannte Ensembles und Solisten in beeindruckenden Spielstätten in Zerbst/Anhalt und der Barockkirche Burgkemnitz. Dabei steht nicht allein die Musikpflege am Zerbster Hof mit Werken Faschs, seines Sohnes und seiner Zeitgenossen im Fokus. Das Barockmusikfestival erweitert den Blick – vor allem in der begleitend stattfindenden wissenschaftlichen Konferenz – auf weitere Facetten des Lebens im 18. Jahrhundert.
Carl Christian Agthe
Musik am Ballenstedter Hof
Weithin sichtbar thront majestätisch oberhalb des Lenné-Parkes in Ballenstedt das ehemalige Askanierschloss. Nach dem Umbau in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts präsentierte sich das Schloss als dreiflügelige Barockanlage. Unter der Regierung von Fürst Friedrich Albrecht von Anhalt-Bernburg und seiner Nachfolger war Ballenstedt ein bedeutender Mittelpunkt des anhaltischen Kunstlebens. Großes Interesse galt vor allem dem Musiktheater. Bereits im Jahr der Erhebung wurde eine Hofkapelle unter Leitung von Johann Konrad Kreibe gegründet, deren Konzertmeister der Hoforganist, Cembalist und Komponist Carl Christian Agthe war. In Ballenstedt entfaltete Agthe eine reiche und vielseitige kompositorische Tätigkeit und hinterließ ein beachtliches Werk an Sinfonien, Kammermusiken, Orgelwerken, Liedern und Opern. Zeitgenossen würdigen Agthe als „gründlich gebildeten Tonsetzer und einen der besten Orgelspieler seiner Zeit“. Mit der Errichtung des Schlosstheaters 1788 bekam Ballenstedt ein Kleinod und eine Spielstätte für zahlreiche hervorragende Künstler verschiedener Genres. Heute lädt das Haus zu den unterschiedlichsten Veranstaltungsformen ein.
Carl Christian Agthe begleitete als Hofkapellmeister des Fürsten Friedrich Albrecht zu Anhalt-Bernburg auch den Umzug des Hofes nach Ballenstedt, da der Fürst zugleich sein musikalischer Förderer war. Dort wirkte Agthe bis zu seinem frühen Tod im Alter von 35 Jahren. Leider wurde ein Teil seiner überlieferten Werke im Zweiten Weltkrieg vernichtet.
Heinrich Berger
Von Coswig nach Honolulu
Am 4. August 1844 wurde Heinrich Berger in Berlin geboren. Seine Mutter wurde vier Jahre später Witwe und mittellos. Sie brachte deshalb ihren Sohn Heinrich zur Schwester ihres verstorbenen Mannes und deren Familie nach Coswig (Anhalt). Mit 14 Jahren kam Berger zu einem Kapellmeister in die Lehre nach Breslau, trat mit 17 Jahren in die preußische Armee ein und wollte Militärmusiker werden. Beim Gardemusikkorps in Berlin lernte er das Musizieren, unternahm Konzertreisen, machte Bekanntschaft mit Johann Strauß und absolvierte ein Studium zum Kapellmeister. Das hawaiianische Königshaus bat 1872 den preußischen Herrscher Wilhelm I. um Unterstützung bei der Ausbildung seiner königlichen Kapelle. So nahm Berger in diesem Jahr in Honolulu seine Arbeit auf. Er wirkte dort viele Jahre als Musikprofessor und als Begründer des Musikunterrichts. Mehr als 200 Kompositionen stammen aus seiner Feder, wie zum Beispiel die Nationalhymne „Hawai’i Ponoi“.
Ihm zu Ehren trägt die Coswiger Musikschule seit 2004 seinen Namen. Aus Anlass seines 90. Todestages lädt die Stadt Coswig seit Herbst 2019 zu einer Ausstellung zum
Leben und Wirken Heinrich Bergers ins Rathaus ein.
Friedrich Wilhelm Rust
Musikleben in Anhalt-Dessau
So dürftig das Musikleben in Dessau noch zur Barockzeit war: Die aufstrebende Stadt an Mulde und Elbe holte ab Mitte des 18. Jahrhunderts in großen Schritten auf.
Vor allem der aufgeklärte Fürst Leopold III. Friedrich Franz war es, der 1798 ein in ganz Europa beachtetes großes Theater von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff erbauen ließ: Das Schlosstheater Dessau. Musikalischer Protagonist der Zeit war Friedrich Wilhelm Rust. 1766 beauftragte ihn Fürst Franz mit der Gründung einer Hofkapelle und 1775 wurde Rust zum fürstlichen Musikdirektor ernannt. Unter seinem Einfluss entwickelte sich in Dessau in nur wenigen Jahren ein beachtliches höfisches und bürgerliches Musikleben.
Wilhelm Müller
Volksliedertexte aus Dessau
Mit der künstlerischen Entwicklung Dessaus eng verbunden war auch ihr berühmtester literarischer Sohn Wilhelm Müller, dessen Gedichtzyklen „Winterreise“ und „Die schöne Müllerin“ durch Franz Schuberts Vertonungen unsterblich geworden sind. Geboren in Dessau, begann er 1812 ein Studium der Philologie in Berlin, meldete sich aber im Februar 1813 als Freiwilliger zum preußischen Heer. Ab 1816 besuchte er literarische Salons in Berlin und lernte dort unter anderen Gustav Schwab, Joachim von Arnim, Clemens Brentano und Ludwig Tieck kennen. Nach einer Bildungsreise nach Italien wurde er im April 1819 zum Gymnasiallehrer in seiner Heimatstadt Dessau ernannt, später zum Herzoglichen Bibliothekar. Müller wurde durch seine gesellschaftskritischen deutschen Volkslieder bekannt. Er setzte sich für den Unabhängigkeitskampf der Griechen gegen die türkische Besatzung ein – daher sein Beiname „Griechen-Müller“, obwohl er Griechenland nie besuchte. Müller war als Herausgeber und Redakteur unter anderem für die im Verlag Brockhaus erschienene Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts tätig. Außerdem arbeitete er für verschiedene literarische Zeitschriften, darunter das Literarische Conversationsblatt und Hermes. Sein literarischer Nachlass wird in der Anhaltischen Landesbücherei Dessau verwahrt.
Friedrich Schneider
Dessaus musikalische Blütezeit
Wichtigster Motor des Dessauer Musiklebens im 19. Jahrhundert war wohl Friedrich Schneider, der 1821 als Herzoglich-Anhaltischer Kapellmeister in die
Muldestadt berufen wurde. Er war für die Hofkapelle, das Theater, den Singechor und viele andere Bereiche zuständig, die er mit großer Begabung und höchstem Fleiß ausfüllte. Noch mehr hervorzuheben ist jedoch seine „Dessauer Musikschule“, die sich viele Jahre lang bester Blüte erfreute und erst durch die Gründung von Mendelssohns Konservatorium 1843 in Leipzig gegenüber der Konkurrenz den Kürzeren zog. Schneiders Musikschule ist entscheidend, weil hier der Keim gesetzt wurde für eine regionale, ja anhaltische Musiktradition. Die Ausbildung, die Schneiders Schüler genossen, strahlte aus nach ganz Anhalt, wo die Musikpflege fortan nicht mehr dem Zufall überlassen war. Der Theater- und Opernbetrieb in Dessau erreichte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. Nach Hofkapellmeister
Eduard Thiele war ab 1882 August Klughardt eine prägende Persönlichkeit des Musiklebens. Seine Kompositionen werden seit einigen Jahren wiederentdeckt. In den 1920er Jahren präsentierte sich das Theater durchaus auch experimentierfreudig und ging Kooperationen mit dem Bauhaus ein, wo Musik zwar kein eigenes Lehrfach war, aber im Verbund mit der Bühnenkunst einen hohen Stellenwert besaß. Legendär waren die Bauhausfeste, bei denen die Bauhauskapelle dem Publikum ordentlich einheizte.
Kurt Weill
Komponist und Kantorssohn
Berühmtester musikalischer Sohn der Stadt Dessau ist der Komponist Kurt Weill. Er wurde im Jahr 1900 in Dessau geboren. Als Sohn eines jüdischen Kantors mit einer besonderen musikalischen Begabung erhielt er früh ersten Klavierunterricht und fand im damaligen Herzoglichen Hoftheater seine zweite Heimat. Bereits mit 16 Jahren war Weill dort des Öfteren als Korrepetitor tätig. Von Dessau über Berlin, Paris und New York entwickelte sich eine bemerkenswerte Karriere, die von großartigen Erfolgen am Broadway gekrönt wurde. Am bekanntesten bleibt jedoch Weills Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht: „Die Dreigroschenoper“. Über Nacht, während der Probenzeit, entstand im Jahr 1928 die „Moritat des Mackie Messer“, noch heute ein Ohrwurmgarant: „Und der Haifisch, der hat Zähne …“
Kurt Weill Zentrum in den Meisterhäusern Feininger und Moholy-Nagy
Die Dauerausstellung im Meisterhaus Moholy-Nagy präsentiert neben Weills Lebensstationen auch seine musikalischen Werke und bietet sowohl analoge als auch digitale Entdeckungsreisen in das Leben und Wirken des berühmten Komponisten.
Kurt Weill Fest
Das Kurt Weill Fest ist ein seit 1993 jährlich stattfindendes internationales Musikfestival mit über 50 Veranstaltungen, an über 20 Spielstätten, in 4 Städten in Sachsen-Anhalt. Das Festival präsentiert den musikalischen Reichtum der Klassischen Moderne, für die Kurt Weill ebenso steht wie seine Geburtsstadt Dessau mit ihrem Bauhaus-Erbe. Dabei beschränkt sich das Festival nicht nur auf klassische Konzerte, sondern vereint verschiedene Disziplinen zu einem wahren Kulturfeuerwerk. Hier treffen Klassik auf Jazz, Oper auf Poetry Slam, Chanson auf szenisches Spiel. Künstler wie Ute Lemper, Till Brönner, Nina Hagen, Katharina Thalbach, Katja Riemann, Jan Josef Liefers, Nils Landgren, Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Vladimir Korneev oder auch Julia Engelmann waren bereits Gäste.